Die „Darstellung des Herrn im Tempel“ in der historischen Weihnachtskrippe in Lichtenborn ist die sechste und letzte Episode der Krippe. Dieses Fest findet jeweils am 2. Februar statt und damit genau 40 Tage nach der Geburt Christi. An diesem Tag endete früher gleichzeitig die ausgedehnte Weihnachtszeit und die winterliche Ruhephase, und so war es früher üblich (mancherorts auch heute noch), dass Weihnachtsbaum und Krippe erst an diesem Tag abgebaut wurden.
Jedoch ist dieses Fest inzwischen aus dem Alltag fast vollständig verschwunden, und selbst in der katholischen Kirche endet die Weihnachtszeit seit der Liturgiereform 1970 schon am Sonntag nach dem 6. Januar, dem Fest der Epiphanie.
Die „Darstellung des Herrn“ oder „Mariä Lichtmess“
Beide Namen stehen für dasselbe Fest, jedoch ist heute längst nicht jedem mehr bekannt, was die Kirche an diesem Tag eigentlich feiert.
Zwei historische Gründe liegen diesem Fest zugrunde, und beide liegen weit in der Vergangenheit.
Zum einen ist dieses Fest dem Auszug des Volkes Israel aus Ägypten geschuldet. Zum Gedenken an diesen erfolgreichen Exodus wurde in der Folgezeit jeder jüdische Erstgeborene zum Eigentum Gottes erklärt. Aus diesem Grunde wurde jeder dieser Betroffenen in einem Tempel feierlich Gott übergeben, also „dargestellt“, und ein Priester als Stellvertreter Gottes hat ihn empfangen. Anschließend konnten die Eltern das Kind durch ein Geldopfer wieder auslösen.
Zum anderen galt nach den Vorschriften des Alten Testamentes jede Frau 40 Tage lang nach der Geburt eines Sohnes als unrein. Bei der Geburt eines Mädchens dauerte dieser Zustand sogar 80 Tage. Um dieser „Unreinheit“ wieder zu entkommen, musste die Mutter ein Reinigungsopfer darbringen. Wer reich war, musste ein einjähriges Schaf opfern. Maria machte vom Armenrecht Gebrauch, und so reichten ein paar Tauben für ihr Opfer. Aus diesem Grunde hieß das Fest noch bis 1969 in der katholischen Kirche auch „Mariä Reinigung“.
Wer noch mehr über dieses Fest erfahren will, wird zum Beispiel hier auf einer externen Website fündig. Dort finden sich u. a. auch sogenannte Bauernregeln zum Wetter, Informationen über den Zusammenhang des Festes mit Licht und Kerzen und welche Bedeutung Papst Johannes Paul II. 1997 ergänzend verliehen hat.
Das Zeugnis von Simeon und der Prophetin Hanna
Im Evangelium nach Lukas zu diesem Fest heißt es nach der Einheitsübersetzung aus dem Jahre 2016 auszugsweise: „Als sich für sie die Tage der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen, wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig genannt werden. Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. Und siehe, in Jerusalem lebte ein Mann namens Simeon. Dieser Mann war gerecht und fromm und wartete auf den Trost Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe. Er wurde vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten: Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“
Den vollständigen Text des Evangeliums nach Lukas 2,25-38 findet man z. B hier auf der externen Website. Dort wird dann auch einiges zur Prophetin Johanna gesagt.
Das Evangelium nach Lukas in Szene 6 der historischen Weihnachtskrippe in Lichtenborn
Wenn man das Lukasevangelium knapp zusammenfasst, ergibt sich daraus eigentlich eine sehr schöne Geschichte: Sobald Maria und Josef mit ihrem Baby den Tempel betreten, erkennen zwei gerechte und fromme Menschen sofort, dass das dargestellte Kind kein gewöhnlicher Junge ist, sondern Jesus, der Erlöser. Es sind dies der alte Simeon und die hochbetagte Prophetin Hanna; und beide rufen ihre Erkenntnis laut im Tempel aus.
Diese Geschichte wird hier auf der externen Website weiter ausgebreitet und sehr schön interpretiert.
Die „Darstellung des Herrn“ in der historischen Weihnachtskrippe
Auf engem Raum wunderbar dargestellt wird sie im 6. Szenario der historischen Krippe in Lichtenborn. Die große Bühne wurde verlassen, und die Krippe steht wieder auf einem kleineren Podest hinter den Treppen zum Altarraum. Der Tempel wird durch einen ehemaligen kleinen Hausaltar symbolisch dargestellt, in dem auch weitere religiöse Requisiten stehen. Man kann diesen Hausaltar auch als „Thoraschrein“ deuten, der in jedem jüdischen Tempel steht. Und der hebräische Text im Hintergrund könnte einen Auszug der heiligen Schriften und damit die Thorarollen symbolisieren, die im Thoraschrein aufbewahrt werden. Wer mehr hierzu erfahren will, kann dazu z.B. eine externe Website hier öffnen.
Vor diesem Hausaltar sitzt der Greis Simeon mit dem Jesuskind auf dem Arm. Links von ihm stehen Maria und Josef, der die zwei Tauben in einem schön gefertigten Vogelkäfig als Reinigungsopfer in der Hand hält. In etwas weiterem Abstand zu Simeon steht die uralte Prophetin Hanna im Blickkontakt mit Simeon.
Menora und Thoraschrein in Szene 6 der historischen Krippe in Lichtenborn
Zwischen Simeon und Hanna im Hintergrund steht ein Kerzenleuchter. Dieser symbolisiert für uns das Licht, das dem Fest den Namen „Mariä Lichtmess“ gegeben hat. Um die Zeit dieses Festes werden die Tage deutlich länger, und an diesem Festtag werden gleichzeitig alle Kerzen gesegnet, die im folgenden Jahr verbraucht werden.
Genauer betrachtet handelt es sich bei dem Kerzenständer um einen jüdischen, siebenarmigen Leuchter, Menora genannt. Diese ist eines der wichtigsten religiösen Symbole des Judentums und eines der wichtigsten Tempelgeräte. In der biblischen Geschichte symbolisiert die Menora Jesus, und damit Licht, Liebe, Wort und Retter. Weiterführendes und Interessantes dazu findet man z.B. hier auf einer externen Website.
In Szene 6 der historischen Krippe eingesetzte Figuren des Otto Zehentbauer
In Szenario 4 in meinem Blogbeitrag „Epiphanie“ stellte die Figur Simeon einen der heiligen drei Könige dar. Auch die Figur Hanna ist eine alte Bekannte. Sie war vorher bereits in den Szenen „Die Geburt“, „Epiphanie“ und „Flucht nach Ägypten“ eingesetzt. Auch jetzt ist sie wieder neu und wunderbar eingekleidet.
Josef mit seinem markanten, gelungenen Gesicht und ebenso Maria sind im wesentlichen unverändert. Hinzugekommen ist der Vogelkäfig mit den beiden eindrucksvollen weißen Tauben.
Der erste Blick auf die Szene 6, der „Darstellung des Herrn in der historischen Weihnachtskrippe in Lichtenborn
Sobald man das Kirchenschiff der katholischen Pfarrkirche St. Servatius betritt, bemerkt man schon, dass der Rückbau der großen Bühne der Weihnachtskrippe bereits erfolgt ist. Die Kirchenbänke und auch der Marienaltar stehen wieder an ihren alten Plätzen, und die Szene 6 der historischen Weihnachtskrippe in Lichtenborn ist wieder auf dem Podest im Altarraum aufgebaut, wie es auch im ersten Szenario „Verkündigung“ schon der Fall war.
Der damalige Aufbau war schon liebevoll und mit viel Empathie erfolgt, aber situationsbedingt bescheiden und zurückhaltend. In dieser Szene 6, der „Darstellung des Herrn“, ist die Situation jedoch eine andere: Ähnlich wie bei seiner Geburt wird Jesus der ganzen Welt nochmals öffentlich als Retter der Menschheit verkündet. In dieser Erklärung steckt auch der Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest. An diesem Szenario sind also mehr Personen beteiligt als in Szene 1. Auch der schöne Taubenkäfig mit dem weißen Taubenpaar darin fällt sofort ins Auge, selbst dann, wenn man dessen Bedeutung nicht kennt.
Gerd Staus, der Krippenbauer der historischen Weihnachtskrippe in Lichtenborn, kenn sich in dieser Materie jedoch sehr gut aus und hat sie auch in diesem Szenario mit viel Sachverstand, Ideenreichtum und Liebe in dieser Darstellung wunderbar umgesetzt.
Rückblick nach Szene 6 der historischen Weihnachtskrippe in Lichtenborn
In sechs Blogbeiträgen zur historischen Krippe in Lichtenborn habe ich gezeigt, dass die beiden Eifelbrüder, nämlich Pastor Joseph Klassen und sein Bruder Karl, den Bau der Weihnachtskrippe ab 1918 von Lichtenborn aus in die Eifel und in weite Teile der Welt eingeführt hatten. Ihnen ist es zu verdanken, dass heute unter fast jedem Weihnachtsbaum in der Eifel eine Weihnachtskrippe steht – ein großartiges Vermächtnis, wie ich finde.
Umso trauriger ist es, dass weder dem Pfarrer Joseph Klassen noch seinem treuen Helfer und Bruder Karl jemals auch nur die geringste Ehrung ausgesprochen worden ist. Mir ist auch völlig unverständlich, dass der Grabstein der Gebrüder Klassen bei einem Umbau des Lichtenborner Friedhofs nur durch die aufmerksame Privatinitiative des aktuellen Lichtenborner Krippenbauers Gerd Staus vor der Vernichtung gerettet werden konnte. Bei Gerd Staus privat eingelagert wartet dieses außergewöhnliche Grabdenkmal seitdem auf eine umfangreiche und kostspielige Restaurierung und auf die Aufstellung an einem geeigneten Ort.
Es wäre schön, wenn sich hierzu Spender finden lassen würden.
Umso mehr freue ich mich, dass Gerd Staus die Tradition der Eifeler Krippenbauer Joseph und Karl Klassen mit den Figuren des berühmten Bildhauers Otto Zehentbauer mit hohem persönlichem Einsatz, großer Kompetenz und viel Einfühlungsvermögen fortführt.
Dafür, und dass er mich bei der Verfassung dieser sechsteiligen Blogserie an seinem umfangreichen Wissen gerne und ohne Einschränkung hat teilhaben lassen, sage ich ihm herzlichen Dank!